Ein ehemaliges Nauroder Kirchenvorstandsmitglied hatte die geniale Idee, die Pfarrgemeindliche Verbindung der Gemeinden Auringen, Medenbach und Naurod mit der Abkürzung AMeN zu bezeichnen. Die vor Jahren beschlossene Kooperation der drei Gemeinden wurde erst durch die Pandemie ausgebremst, und hat sich jetzt gewissermaßen selbst überholt: Aufgrund des Mitgliederschwunds der Gemeinden und mangels BewerberInnen auf die vakanten Pfarrstellen der drei Gemeinden hat man einen Bewerber freiwillig ‚geteilt‘, der sonst sowieso seinen Dienst als Vertretung an zwei der drei Standorte getan hätte und auf diese Weise für alle die offiziell eingesetzte Pfarrperson sein kann. Und so kam es, dass Pfr. Thomas Tschöpel nun Hirte von der gesamten AMeN-Herde geworden ist – und am 1. September offiziell in sein Amt eingeführt wurde.
Der Gottesdienst, in dem die Einführung stattfand, wurde auf Wunsch der Hauptperson unter freiem Himmel durchgeführt, im Auringer Kirchgarten. Schon am Samstag waren viele eifrige Helfer am Werk, um schattenspendende Zelte aufzustellen, und am Tag des Ereignisses waren gefühlt Dutzende Menschen im Einsatz, um für die Gottesdienstbesucher – ausgehend von der Zahl der Tische geschätzt 150 Personen – einen angenehmen Ort für den Gottesdienst und das Kaffeetrinken im Anschluss zu schaffen.
Dekanin Arami Neumann führte den Kollegen in sein neues Amt ein, nicht ohne zuvor auf die Herausforderungen einzugehen, vor denen die Gemeinden und ihr neuer, gemeinsamer Pfarrer nun stehen: die Umstrukturierung der unter Mitgliederschwund leidenden Kirchengemeinden in der EKHN, auch im Dekanat Wiesbaden, zu Nachbarschaftsräumen. Unsicherheit und Verlustängste auf Seiten der Gemeindemitglieder, drohende Überlastung der Kirchenvorstände – eine schwierige Ausgangssituation für gelingendes kirchliches Leben in einer Gesellschaft, die aktuell auch mehr Sorgen bereitet als Sicherheit bietet. Mit einer sehr konkreten und konstruktiven Auslegung des Kolosserbriefes gab Arami Neumann der Sache eine überraschende Wendung. Mit den Worten des Paulus bezeichnete sie die Zuhörer als „Gottes Auserwählte, Heilige und Geliebte“ – nicht, weil Christen besonders tolle und fromme Menschen sind, sondern weil Gott sie als zu sich gehörend ansieht und liebt. Das heißt, die Angesprochenen sind schon ‚Gemeinde‘, sie müssen es nicht erst werden. Auch wenn sie sich in anderen Strukturen organisieren, ändert es nichts an diesem inneren Wesenskern des Christ-Seins als Gemeinschaft der von Gott Geliebten. Und entsprechend sieht dann das aus, was man nach außen trägt, wie Kleider „aus dem himmlischen Kleiderschrank“, wie die Dekanin sich ausdrückte. Was Paulus den Kolossern anzuziehen nahe legt, sind „herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Langmut“; und die Liebe hält wie ein Gürtel alles zusammen. Auf diese auch ihm zugesprochenen Worte antwortet Pfr. Thomas Tschöpel mit einer Predigt, die das christliche Selbstverständnis um einen weiteren Aspekt ergänzt, wieder mit Bezug auf einen Paulus-Brief, in dem der jungen römischen Gemeinde versichert wird, dass Christen Gottes Kinder sind, ihrem Vater so nah und vertraut, dass sie ihn „Abba“ (Papa) nennen dürfen und keine Angst mehr haben müssen, weil sie nicht aus dem Geist der Knechtschaft, sondern aus Freiheit leben und handeln können. – Die beiden ‚Predigten‘ verstärkten sich in der Wirkung, die von Markus Kaiser am E-Piano begleiteten innig gesungenen Lieder taten ein Übriges, um den guten Geist spüren zu lassen, der Menschen innerlich bewegen, trösten und motivieren kann.
Einen Nachmittag lang verbrachten die Gottesdienstbesucher – unter ihnen Freunde von Pfr. Tschöpel aus seinen Gemeinden im Büdinger Land, ehemalige Pfarrer aus Naurod und Medenbach sowie Vertretungspfarrer in der Vakanz-Zeit der Gemeinden – in einer heiteren, zugewandten Atmosphäre, im Gespräch mit den Tischnachbarn, von Konfirmanden fürsorglich mit ausreichend Kaffee zum leckeren Kuchen versorgt. Möge die Zuversicht anhalten und das herzliche, freundliche und geduldige Miteinander dieses Anfangs die Gemeinden und ihren Pfarrer Thomas Tschöpel auf dem schwierigen und Kräfte zehrenden Weg in den Nachbarschaftsraum begleiten. AMeN.
Dr. Margit Ruffing
Fotos: Konstantina Leukel